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Am Donnerstag, den 25.09. ist es endlich soweit. Wir, neunzehn Schwaben und Wahlschwaben, machen uns auf den Weg ins Frankenland. Nach einer entspannten Bahnfahrt erreichen wir die Verwaltungs- und Universitätsstadt Würzburg, und erleben mit dem Besuch der Residenz gleich das erste Highlight unsere Sechstage- Tour.Die Residenz, ehemals Sitz der Fürstbischöfe, ist UNESCO- Weltkulturerbe und zählt zu den Hauptwerken des Spätbarocks. Sie kann sich sowohl mit dem Schloss Schönbronn in Wien, als auch mit Versailles in Paris messen.Wein-1020292
Wir sind von den Baukünsten des Baumeisters Balthasar Neumann, von der von Antonio Giuseppe Tiepolo gestalteten Deckenfreske im Treppenhaus, den Kaisersaal und den Spiegelsaal tief beeindruckt. Auf dem Rückweg zum Busbahnhof haben wir Gelegenheit, die Hofkirche, den Hofgarten und den nach der schweren Zerstörung in den letzten Kriegstagen wieder aufgebauten und modern gestalteten Kiliansdom zu besichtigen. Einigen reicht die Zeit sogar zu einer Tasse Kaffee am Mainufer. Per Bus geht es am späten Nachmittag nach Kitzingen zum Hotel Esbachhof, unserem Standort für die nächsten fünf Tage. Nach dem Abendessen testen wir unsere Singkünste mit dem Frankenlied, allerdings mit mäßigem künstlerischem Erfolg.

 

Wein-1020315Am Freitag bringt uns der Bus nach Neuses am Berg. Das Wetter hat sich aufgehellt, aber der Himmel ist noch bedeckt. Ideales Wanderwetter. Eine Plattform kurz nach dem Ortsausgang gestattet uns einen herrlichen Blick auf die unter Naturschutz stehende Mainschleife und die im Maintal liegenden Winzerstädtchen Köhler, Escherndorf und Nordheim. In der Ferne können wir auch schon die Vogelsburg und den Kirchturm von Volkach erkennen, unser heutiges Ziel. Unser Weg in den Weinbergen wird immer wieder durch Gespräche mit den Winzern unterbrochen, die gerade bei der Ernte sind. Wein-1020333Es sei ein gutes Weinjahr und der 2014er Jahrgang wird gut werden, versprechen sie uns. Beim ausgiebigen Kosten der Trauben können wir uns persönlich davon überzeugen, dass das in Öchsle gemessene Mostgewicht hoch ist. Freilich waren auch ein paar sauere Beeren dabei. Typisch Frankenwein. Nach dem Abstieg nach Escherndorf geht es auf der anderen Talseite wieder steil bergauf. Vorbei an der Vogelsburg erreichen wir gegen Mittag Nordheim, wo wir eine Rast einlegen. Über die Mainbrücke geht es weiter nach Volkach. Bei einem Glas Frankenwein gewinnen wir einen ersten Eindruck von der Faszination eines der schönsten Städtchen in Mainfranken.Wein-1020368 Am Nachmittag beginnt der gemütliche Teil des Tages. Mit der „UNDINE“ fahren wir mainaufwärts, vorbei an der Wallfahrtskirche mit Maria im Rosenkranz, unserem Ziel für Montag. Von Bord des Mainschiffes aus können wir bei Kaffee und Kuchen den automatischen Vollerntern bei der Weinernte zuschauen. An der Stammheimer Schleuse wendet das Schiff und wir erreichen nach einer neunzigminütigen Schifffahrt wieder Volkach. Zum Glück ist keiner seekrank geworden. Die Heimfahrt mit dem Bus verzögerte sich um eine Stunde, weil der Wanderführer den Fahrplan nicht richtig gelesen hat. Es zeigte sich wieder, dass der, der lesen kann, im Vorteil ist. Die Gruppe hat es mit Fassung und heimlichem Murren ertragen, ohne den Wanderführer zu steinigen. Als wir trotzdem rechtzeitig zum Abendessen im Hotel ankommen, sind alle wieder versöhnt. Ende gut, alles gut.

 

Wein-1020382Am Samstag sind wir mit Frau Charlotte Kern am Falterturm zu einer Stadtführung durch die Große Kreisstadt Kitzingen verabredet. Frau Kern zeigt uns den Falterturm mit seiner schiefen Haube, Kitzingens Wahrzeichen. Dann führt sie uns in den auf der anderen Straßenseite liegenden Friedhof zum (angeblichen) Grab von Dracula. Wir hatten das seltene Glück, dass uns weder Amerikaner, noch Japaner, noch Chinesen den freien Blick zur Grablege versperren. Eine weitere Attraktion ist das Loch in der Friedhofsmauer, gleich neben Draculas Grab. Ein Auto ist von der Straße abgekommen und voll in die Mauer geprallt. Der Fahrer hatte wohl ein Viertele Frankenwein zu viel getrunken.

Wein-1020391Unsere nächste Station ist der Leidenhof. Hier wurden im Bauernkrieg auf Befehl der Grafen von Ansbach 58 Rädelsführer die Augen ausgestochen und anschließend aus der Stadt gejagt. Diese Tat gilt als die schrecklichste im ganzen Bauernkrieg. Kitzingen gehörte damals nicht zum katholischen Bistum Würzburg, sondern zur Grafschaft Brandenburg- Ansbach. Deshalb ist es auch der einzige evangelische Flecken inmitten des erzkatholischen Mainfranken. Auf dem Weg zur Stadtmitte kommen wir an der katholischen Kirche vorbei. Frau Kern erklärt uns die Säule mit dem himmlischen Jerusalem und die Kreuzigungsgruppe an der Kirchenmauer, die aus der Schule von Tilman Riemenschneider stammen soll.
Wein-1020386Leider waren wir nicht in der Kirche selbst. Sie ist sehr modern gestaltet und weckt bei den Besuchern ganz unterschiedliche Gefühle. Weiter geht es zur Pippinsbrücke, von der wir nicht nur einen wunderschönen Blick auf den Main und das ehemalige Gartenschaugelände haben, sondern auch auf die Kitzinger Altstadt am rechten und die Gärtnerstadt Etwashausen am linken Mainufer. Der Name der Brücke erinnert an den Frankenkönig Pippin dem Kurzen, Sohn von Karl Martell und Vater von Karl dem Großen, der im achten Jahrhundert den Grundstein für das Kitzinger Kloster gelegt hat. Nach mehreren Holzbrücken baute Balthasar Neumann Mitte des 18. Jahrhunderts die heutige Steinbrücke.
Wein-1020414Beim Bau des Rhein- Main- Donau- Kanals in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurden allerdings die drei mittleren Brückenbogen abgerissen und durch eine Stahltrasse ersetzt. Weiter geht es zur evangelischen Kirche und dem ehemaligen Frauenkloster. Frau Kern erzählt uns die Geschichte von der Glocke „Hedwig“, die wie viele andere Glocken während des Krieges im Schmelztiegel endete. Nach dem Krieg wurde die alte „Hedwig“ nach den Original- Unterlagen geklont. Der Transport auf den Kirchturm ist allerdings erst beim zweiten Anlauf geglückt. Beim ersten ist sie abgestürzt. Frau Kern zeigt uns dann am Rathaus den Häcker (Winzer) und die Bleckerin, die uns den nackten Hintern entgegen streckt. Gegen elf Uhr endet die Führung auf dem Marktplatz, wo gerade Markt ist. Jetzt bleibt uns noch etwas Zeit zum Bummeln und zu einem kurzen Imbiss.

Wein-1020431Um 13 Uhr treffen wir uns bei herrlichem Wetter zur Wanderung nach Sulzfeld. Über Flur, Wald und Weinberge, vorbei an einem zauberhaften Aussichtspunkt, erreichen wir nach gut 90 Minuten Sulzfeld. Der Charme der mittelalterlichen Stadt mit Stadtmauer und Wehrtürmen lädt uns zu einem Rundgang auf eigene Faust ein. Nach der Stadtbesichtigung und einem Schoppen am Mainufer treffen wir uns bei einem Meter Bratwurst (oder weniger) mit Kraut im Goldenen Löwen. Anschließend wandern wir gemeinsam am Main entlang zurück nach Kitzingen.

 

Wein-1020438Der markante Punkt im Maindreieck ist der Schwanberg, Er hat uns auf unseren Wanderungen nach Volkach und Sulzfeld begleitet und er war auch von der Kitzinger Pippinsbrücke aus zu sehen. Heute, am Sonntag wollen wir da rauf und uns die Welt von oben anschauen. Bei herrlichem Sonnenschein geht es vom Hotel durch die Kitzinger Altstadt und über die Pippinsbrücke nach Etwashausen. Am Fuße der Brücke auf der Etwashäuser Seite können wir durch eine Glastür einen Blick in die von Balthasar Neuman erbaute Kapelle werfen. Dann lassen wir die Stadt hinter uns und wandern durch die Etwashäuser Gemüsegärten in Richtung Flugplatz. Von diesem Flugplatz starteten am 1. September 1939 die Stukas in Richtung Polen und hier heulten nach 1945 amerikanische Düsenjäger. Ich habe hier 1956 meinen Segelflugschein gemacht. Heute ist der Flugplatz leer und verlassen. Wir wandern am Flugplatzzaun entlang, dann durch den Hoheimer Wald und erreichen am späten Vormittag das kleine Dorf Fröhstockheim.
Wein-1020465Der Schwanberg ist uns schon bedrohlich nahe gekommen. Er schaut herausfordernd zu uns herab. Auf dem Kirchplatz gegenüber dem Schloss machen wir Rast und sammeln Kräfte zum Angriff auf den Berg. Nach dem Vesperbrot und einem Apfel wandern wir durch das Winzerdorf Rödelsse und erreichen bald den Fuß des Schwanberges. Hier folgen wir dem sanft ansteigenden Weg durch die Weinberge. Von der Waldgrenze an geht es vorbei an einer Quelle auf rutschigem und zum Teil steilem Weg bergauf. Gegen Mittag erreichen wir die Aussichtswiese, wo wir für unsere Anstrengungen durch eine herrliche Aussicht auf das Maintal belohnt werden. Vor uns liegen die Weindörfer Rödelsee und Fröhstockheim, dahinter der Flugplatz und die Stadt Kitzingen. Ganz weit im Westen können wir Würzburg und die Höhenzüge des Spessarts erahnen. Im Nord- Westen liegt Volkach und vor der Silhouette der Rhön steht die Wasserdampfwolke über dem Atomkraftwerk Grafenrheinfeld. Ursprünglich stand die Besichtigung des Atomkraftwerkes auch auf unserem Programm. e.on ist aber wegen der Energiewende beleidigt und hat das Besucherzentrum geschlossen.

Wein-1020475Nach der Mittagsrast in der Gartenwirtschaft werfen wir einen Blick in die modern gestaltete evangelische Kirche und wandern dann vorbei am Schloss durch den Schlosspark zum Friedwald am Ende des Parks. Dann machen wir uns an den Abstieg. Nach einer Wanderung durch die Weinberge erreichen wir Iphofen, einem klassischen, mittelalterlichen Weinort und Heimat der Gipsplattenfabrik „Rigips“. In Iphofen ist gerade Kirchweih mit Weinständen und Straßenmusik. Für uns eine gute Gelegenheit, vor der Rückfahrt per Bahn nach Kitzingen noch einen Iphöfer Schoppen zu probieren.

 

Wein-1020477Am Montag werden wir wieder Opfer des öffentlichen Nahverkehrs. Unser Bus nach Münsterschwarzach fällt heute aus, weil keine Schulferien sind. Dafür kommt ein Kleinbus, der aber nur nach Albertshofen fährt. Wir entschließen uns, den Bus nach Albertshofen zu nehmen, denn von dort führt ein Wanderweg am Main entlang nach Münsterschwarzach. Leider kann der Kleinbus nur zehn Personen mitnehmen. Mit einem Extra- Bonus überreden wir den Fahrer, zu einer zweiten Tour. Der Wanderweg nach Münsterschwarzach führt uns durch die Albertshöfer Gemüsegärten und die Mainauen. Wir erleben unvergessliche Eindrücke beim Aufstieg der Frühnebel und dem Durchbruch der Sonne durch die Nebelschwaden. Die Wassertropfen auf den Grashalmen funkeln wie Perlen. Leider können nicht alle Wanderer diese Schönheit unbeschwert genießen, denn wir stehen unter Zeitdruck. Um Elfuhrdreißig müssen wir den Bus nach Volkach erreichen und vorher wollen wir noch das Kloster in Münsterschwarzach besichtigen. So wird die gemütliche Wanderung zu einem strammen Volksmarsch, der manchen Wanderer zu einem halblauten Murren veranlasst.

Wein-1020485Als wir endlich Münsterschwarzach erreichen, sind die Mönche beim Gebet und die Führung muss ausfallen. Jetzt sind wir alle gespannt, ob der Bus nach Volkach wie eingeplant auch wirklich fährt. Wir sind alle angenehm überrascht und dem Wanderführer fällt ein Stein vom Herzen, als der Bus pünktlich in den Busbahnhof einbiegt. Und diesmal findet sogar die ganze Mannschaft Platz. Gegen Mittag erreichen wir die Stadt Volkach, die wir schon von unserem Besuch am Freitag kennen. Nach einer Mittagsrast nehmen wir den kurzen Anstieg auf dem Pilgerweg hinauf zur Wallfahrtskirche unter die Füße.

Wein-1020487Wolfgang Schray, der sich freundlicherweise im Vorfeld informiert hat, bereitet uns in einem aufschlussreichen und informativen Vortrag über Geschichte und Geschichten von der Kapelle und Maria im Rosenkranz, dem berühmten Werk des Holzschnitzers Tilman Riemenschneider vor, das dann jeder für sich alleine besichtigen kann.

Auf dem Rückweg erzählt uns Wolfgang noch einiges über den historischen Hintergrund der alten Handelsstadt Volkach und über deren markanteste Bauwerke. Wir alle sind Wolfgang dankbar, dass er uns durch seinen persönlichen Einsatz uns die Stadt Volkach und Maria im Rosenkranz nahe gebracht hat.
Wein-1020489Am Busbahnhof sind wir schon nicht mehr überrascht, als der Bus pünktlich und mit der erforderlichen Kapazität kommt. In Kitzingen haben wir nur wenig Zeit, um uns für die Weinprobe in der Eherieder Mühle frisch zu machen. Wir erreichen das Weinhaus nach einer halben Stunde Fußmarsch und feiern dort den Abschluss unserer Frankentour bei einer Weinprobe und einem zünftigen Häcker- Vesper. Wir freuen uns, dass es zwar ein paar Blasen gab, aber keinen verstauchten Fuß und auch keinen Beinbruch. Dabei sind besonders die älteren Teilnehmer an manchen Tagen echt gefordert worden. Aber tapfer und mit zusammen gebissenen Zähnen waren sie immer dabei.

Am Dienstag geht der kurze Ausflug schon wieder zu Ende. Der Wettergott hat dazu beigetragen, dass wir das Kitzinger Land von seiner schönsten Seite sahen. Wenn Engel reisen. Vielleicht hat mancher der Teilnehmer den Eindruck, dass die Zeit kurz war. Zu kurz, um den ganzen Charme des Frankenlandes kennen zu lernen. Aber vielleicht ist das der Anlass, später mal zurück zu kommen. Gegen Mittag bringt uns die Bahn sicher und gesund zurück in unsere schwäbische (Wahl-) Heimat. Die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel hat uns zwar manche Unannehmlichkeiten bereitet, sie hat aber auch Spannung und Überraschungen gebracht.

Fürs Teilnehmen bedanken sich die Wanderführer Horst und Gudrun Meder

 

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