Wie kommt der Zucker in die Zuckerdose?

Wie kommt eigentlich der Zucker in meine Zuckerdose? Das hat jetzt fast 50 Neugierige brennend interessiert. Also fuhren kürzlich Mitglieder und Gäste auf Einladung des Schwarzwaldvereins Darmsheim dorthin, wo das Rätsel gelüftet werden konnte – ins Werk Offenau von Südzucker bei Heilbronn. Nach einer Stunde Hassler-Busfahrt war man dem Zucker nah. Und konnte riechen, dass hier ein landwirtschaftliches Produkt vom heimischen Feld verarbeitet wird: Rüben, Rüben, Rüben ohne Ende. Tonnenweise.

Dass der Besuch an einem Samstag stattfand – kein Problem. Während der Saison der Zuckerrüben ab 18. September geht es in der Fabrik nämlich rund. 105 Tage lang dauere die Kampagne, erklärten die Werksführer Rita Berner und Waldemar Bechthold. Rund um die Uhr im Drei-Schicht-Betrieb und an sieben Tagen die Woche verwandelt man in Offenau die Ackerfrucht in kristalline, rieselnde Süße. Ein Lastwagen am anderen reiht sich in dieser Zeit aneinander. Da gebe es dann Urlaubssperre für die rund 200 Beschäftigten, ließen sich die Besucher aus Darmsheim erklären. Selbst an Weihnachten und an Neujahr müsse man ran, weil pro Tag 13 000 Tonnen Zuckerrüben verarbeitet werden müssen. „Wir lassen nicht eine einzige Rübe auf dem Feld zurück“, schmunzelte Rita Berner während des dreistündigen Rundgangs durch das 1971 in der Nähe von Neckarsulm gebaute Werk.

Nach dem Entladen und Waschen der Ladung kommen die Rüben erst einmal in eine Schneidemaschine, wo sie zu Rübenschnitzeln zerhackt werden. In einer Schnitzelmaische vorgewärmt und in einen Extraktionsturm befördert, löst 70 Grad heißes Wasser den Zucker aus der Rübenzelle – der Rohsaft. Ihm werden Kalk und Kohlensäue zugesetzt, um die Nichtzuckerstoffe zu binden und auszufällen. Übrig bleibt ein klarer Dünnsaft mit 16 Prozent Zuckergehalt, der dann mehrfach erhitzt und dadurch eingedickt wird. Heraus kommt eine goldbraune, zähe Masse mit 67 Prozent Zuckergehalt, der dann erneut aufgekocht wird.

Die Besucher aus Darmsheim hätten sich in der Halle mit den Verdampfungskesseln auch bis aufs Unterhemd ausziehen können, so heiß war’s hier. Nach dem abermaligen Erhitzen kristallisiert die Masse schließlich, weil sie mit Sirup überzogen ist. Nach dem Schleudern in Zentrifugen trennen sich Sirup und Kristalle. Übrig bleibt, was schneeweiß in die Zuckertüte abgepackt werden kann. Und uns das Leben versüßt. Im Kaffee oder Tee, im Kuchen oder in der Torte.

Was die Gäste aus dem Schwaben- im Unterland besonders gerne hörten: Ihre Ware ist dort sehr begehrt. Die Zuckerrüben aus dem Hinterland von Herrenberg – letztlich eine Achse von Tübingen bis Leonberg – hätten eine super Qualität, erzählte Rita Berner. Das liege an den guten Böden und einem spezifischen Mikroklima.

Filme, Worte, Wegemeter, Schmecken, Riechen, Zuhören: Der Trip nach Offenau mit seinen vielen akustischen und optischen Impressionen hat die fast 50 Gäste beinahe erschlagen. Aber ebenso begeistert. Und gegen möglichen Unterzucker gab’s vor der Heimreise erst einmal ein leckeres Vesper. Dass man sieben, acht Kilo Rüben braucht für ein Kilo Zucker und wie viel Hirnschmalz und Schweiß in dessen Verarbeitung steckt, hat alle Reiseteilnehmer schwer beeindruckt. Da kommen einem die 1,39 Euro, die beispielsweise Edeka für das Südzucker-Kilopäckle verlangt, beinahe spottbillig vor. Die Eigenmarke für 65 Cent schon gleich. Der Inhalt freilich ist derselbe – ebenfalls aus Offenau. Heimatbewusste haben es selber in der Hand, wo sie nun zugreifen. Vielleicht sprechen sie vorher ja noch mal mit einem Landwirt und Zuckerrübenanbauer darüber. Im Kreis Böblingen hat’s ja grad genug davon…

Bericht und Bild Siegfried Dannecker

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